Für viele Pferdebesitzer und Stallbetreiber ist es selbstverständlich, drei- bis viermal im Jahr vorsorglich zu entwurmen. Dieses Vorgehen wird als planmäßige Entwurmung bezeichnet. Diese planmäßige Entwurmung wurde in den 1960er Jahren eingeführt, um die damals flächendeckende Ausbreitung der Großen Strongyliden (Fadenwürmer) – vor allem des Pferdepalisadenwurms (Strongylus vulgaris) – zu bekämpfen.
Dieses Management war erfolgreich und sorgte dafür, dass die Großen Strongyliden in Deutschland heutzutage nahezu ausgerottet wurden. Heutzutage hat sich die prägende Parasitenart im Darm des Pferdes verschoben zu Gunsten der Kleinen Strongyliden. Kleine Strongyliden sind weniger krankmachend (pathogen) als die Großen Strongyliden und sind fähig, sich schnell und effektiv gegen die Entwurmungspräparate zur Wehr zu setzen. Dies erreichen die kleinen Strongyliden durch das Entwickeln von Resistenzen.
Die Verschiebung der dominanten Wurmart macht es nötig, den Fokus von der planmäßigen Entwurmung weg hin zur zeitgemäßen + selektiven Entwurmung zu richten.
Immunsystem und Entwurmung – der Zusammenhang mit Allergien
In der Humanmedizin ist es inzwischen weitgehend akzeptiert, dass ein sehr keimarmes Aufwachsen bei Kindern die Neigung zu Allergien erhöhen kann. Ebenso ist es auch bei den Pferden. Ein Immunsystem, das selten mit Keimen jeglicher Art in Berührung kommt, kann erstens keine Immunität entwickeln und neigt zweitens zur Überreaktion auf körpereigene Stoffe oder Stoffe, die aus der Umwelt eingetragen werden, wie beispielsweise Pollen.
Über 80% des körpereigenen Immunsystems ist im Darm lokalisiert, der neben Haut und Lunge die erste Barriere darstellt, die zwischen dem Körperinneren und der Umwelt liegt. Ein gut trainiertes Immunsystem weiß, wie es zu arbeiten hat und kann effektiv erfolgreich gegen Krankheitserreger vorgehen. Zu diesen Krankheitserregern gehören auch die Endoparasiten des Pferdes.
Ein junges Pferd hat noch ein wenig geprägtes Immunsystem. Mit der Zeit wird dieses Immunsystem mit immer mehr Keimen und Erregern in Kontakt kommen und spezifische Abwehrmechanismen entwickeln.
Dies ist der Grund, warum vor allem Jungpferde unter einem Wurmbefall leiden, während bei erwachsenen Pferden das Immunsystem den Wurmbefall soweit im Griff hat, dass sich keine gesundheitlichen Schäden daraus ergeben. Man spricht von einem nicht schädlichen Wurmbefall. Kranke, alte oder geschwächte Pferde, deren Immunsystem nicht richtig funktioniert oder anderweitig beschäftigt ist, können einen pathologischen Wurmbefall aufweisen. Die verschiedenen Phasen machen eine engmaschige Kontrolle des Wurmstatus jeden einzelnen Pferdes nötig.

Erschreckend schnelle Entwicklung von Resistenzen gegenüber Entwurmungsmedikamenten
Es gibt von der Pharmaindustrie nur etwa eine Handvoll wirksamer Entwurmungspräparate (Antihelminthika) und die Entwicklung dauert entsprechend lang, sodass in nächster Zeit wohl kein neues Anthelminthikum auf den Markt kommen wird.
Stattdessen zeigen die kleinen Strongyliden einen Anpassungsmechanismus an die vier Mal im Jahr verabreichten Entwurmungsmittel: Durch Mutationen einzelner Strongyliden gewinnen die Eier eine höhere Widerstandskraft und können nicht mehr von dem Präparat erreicht und abgetötet werden. Ein Problem ist dies zu Anfang noch nicht, doch die Situation wird mit jeder Entwurmung schlimmer und spitzt sich zu. Die Wurmpopulation besteht aus allen Strongyliden im Umfeld des Pferdes: den Würmern und Eiern im Pferd, auf der Koppel, in der Box und in den anderen Pferden (Koppelpartner, Herde, etc.). Entwickelt sich nun eine Resistenz, überleben diese resistenten Strongyliden im Pferd und können sich – da alle anderen anfälligen Strongyliden durch die Wurmkur abgetötet wurden – hemmungslos vermehren. Durch die Ausscheidung resistenter Eier verteilt sich die neue Resistenz in der gesamten Population und kann auch auf andere Pferde übergehen. Wird nun wieder entwurmt, mit demselben Mittel, sterben immer mehr der empfindlichen Würmer ab, während die resistenten Würmer überleben und sich stärker ausbreiten. Irgendwann ist eine Wurmlast erreicht, die für die betroffenen Pferde gesundheitsschädlich wird – die Entwurmung hilft aber nicht mehr aufgrund der vorliegenden Resistenz.
Viele Stallbetreiberinnen und Pferdebesiterinnen umgehen diese Problematik, indem die verabreichte Wurmpaste durchgewechselt wird. Dies verbessert die Situation aber in keinem Fall, sondern verschlimmert die Resistenzausbildung dahingehend, dass die kleinen Strongyliden mit jedem Kontakt zum Wurmmittel die Chance haben, eine Resistenz zu entwickeln.
Die aktuelle Situation in Deutschland beschreibt vorwiegend Resistenzen gegen die Wirkstoffe Pyrantel und Benzimidazol. Das bedeutet nicht, dass Sie diese Mittel prophylaktisch nicht mehr einsetzen sollten. Stattdessen empfehlen wir, Entwurmungspasten nur nach sinnvoller vorhergehender Diagnostik und bei bestehender Indikation verantwortungsvoll einzusetzen.
Herdenmanagement oder Einzeltieruntersuchung?
Bei der zeitgemäßen + selektiven Entwurmung handelt es sich ganz klar um ein Einzeltiermanagement. Aufgrund des individuell unterschiedlichen Immunsystem-Status der Pferde kann es vorkommen, dass Pferde, die in denselben Verhältnissen leben und sogar Teil derselben Herde sind, unterschiedliche Untersuchungsergebnisse haben. Manche Pferde haben möglicherweise einen hohen Befall und scheiden auch viele Wurmeier aus, während andere Pferde kaum Wurmeier ausscheiden und nur einen niedrigen Befall aufweisen. Hohe Eiausscheider sind für eine kontinuierliche Kontamination der Weide und des Stallbereichs verantwortlich. Um den Befall allgemein also gering zu halten, ist es sinnvoll, diese hohen Ausscheider zu finden und gezielt zu behandeln.
Es ist jedoch nicht nötig, die Pferde nach hohen und niedrigen Ausscheidern zu trennen, da die Pferde mit einem guten Immunsystem mit der Wurmpopulation selbst hervorragend zurechtkommen und sich nicht bei den hohen Eiausscheidern in dem Sinne „anstecken“ können. Eine Übertragung der Wurmpopulation ist aber in jedem Fall möglich. Um sich keine Resistenzen einzuschleppen, sollten Sie Neuankömmlinge unbedingt in Quarantäne halten und eine ausführliche Untersuchung durchführen.
Eingesetzte Verfahren bei der selektiven Entwurmung: McMaster und Sedimentation-Flotation
Bei der zeitgemäßen + selektiven Entwurmung kommen standardmäßig zwei Verfahren zum Einsatz. Um den Befall mit Kleinen Strongyliden quantitativ angeben zu können, zählen unsere Laboranten die Eier mit dem McMaster-Verfahren aus und werten das Ergebnis nach einer definierten Formel aus. Dabei steht im Endbefund der EpG-Wert, also Eizahl pro Gramm Kot.
- Ein Wert unter 200 EpG gilt als gesundheitlich unbedenklich, das Pferd muss also nicht entwurmt werden.
- Bei einem Wert über 200 EpG ist eine Entwurmung angeraten. Natürlich muss neben dem rein objektiven LaborbefundUnter einem ärztlichen Befund (kurz: Befund) versteht man die zusammengefassten Ergebnisse einer Untersuchung. Dabei kann es sich z. B. um Messergebnisse einer labormedizinischen Untersuchung handeln. More immer der Gesundheitszustand des Pferdes mitbeurteilt werden.
Das zweite eingesetzte Verfahren ist die kombinierte Sedimentation-Flotation, welche sich nicht zur quantitativen Beurteilung des Wurmbefalls eignet, sondern qualitativ den Wurmbefall darstellt. Hier werden nicht nur Kleine Strongyliden-Eier gefunden, sondern auch Eier anderer Wurmarten, wie des Bandwurms oder des Spulwurms.
Bei besonderen Fragestellungen kommen individuell weitere Verfahren dazu. Durch eine PCR-Untersuchung kann bei Bedarf der Große Strongylid Strongylus vulgaris nachgewiesen werden. Bei Verdacht auf Lungenwurmbefall, beispielsweise bei gemeinsamer Haltung mit Eseln, kommt das Trichterauswanderungsverfahren zu Einsatz und durch das Tesafilmabklatsch-Verfahren können Eier der Oxyuris equi (Pfriemenschwänze) nachgewiesen werden.
Kontrolle auf Resistenzen
Einer der Gründe, sich für eine selektive Entwurmung zu entscheiden, ist die Möglichkeit, die Wirksamkeit der gegebenen Wurmkur direkt kontrollieren zu können. Wird bei der Probe ein bedenklicher Wurmbefall festgestellt, wird das Pferd gezielt entwurmt. 14 Tage nach der Wurmkur wird eine Kotkontrolle eingesendet, anhand derer die Wirksamkeit der Wurmkur bestimmt wird. So können Resistenzen innerhalb einer Wurmpopulation schnell erkannt und bekämpft werden, um ihre Ausbreitung zu verlangsamen.
Gesundheitsmanagement und Umweltbewusstsein kombiniert
Die zeitgemäße + selektive Entwurmung ist nicht nur wichtig und zuträglich zur Gesundheit Ihres Pferdes, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz. Eine Untersuchung kam zu dem Schluss, dass ca. 80% der Entwurmungen, die ein Pferd im Laufe seines Lebens bekommt, medizinisch nicht notwendig sind und hätten eingespart werden können. Dies würde die Belastung des Pferdes mit chemischen Präparaten senken und auch den Eintrag an chemischen Präparaten in unsere Umwelt. Wurmkuren gehören zur Gruppe der Nervengifte, die zwar so gering dosiert sind, dass sie beim Pferd keine SymptomeEin Symptom ist ein Krankheitszeichen. Betroffene nehmen diese Krankheitszeichen als Beschwerden wahr. Ein bestimmtes Symptom kann bei mehreren Erkrankungen auftreten. Beispielsweise kann hohes Fieber auf einen grippalen Infekt, eine Entzündung im Körper, eine Masern-Infektion uvm hinweisen. More auslösen, daber bei empfindlichen Tieren den Stoffwechsel stark aus dem Gleichgewicht bringen können. Vor allem auf Fische und andere Wasserlebewesen wirken Ivermectin und vergleichbare Präparate stark giftig.
Die zeitgemäße + selektive Entwurmung schützt also nicht nur Ihr Pferd, sondern auch die Natur, in der es lebt.
Das war’s mit unserem heutigen Blogartikel! Bei Fragen steht Ihnen unsere Tierärztin, Frau Lea Badura, per E-Mail unter badura@sension.eu gerne zur Verfügung.
 
					